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Zur Burg Cachtice gehört natürlich auch eine Geschichte, eine der blutigsten des Mittelalters. So blutig, dass es heutzutage kaum noch vorstellbar ist. Neben den Bildern der Ruine möchte ich Euch diese Geschichte nicht vorenthalten.


Die Geschichte der Blutgräfin Erzsébeth (Elisabeth) Báthory



Fledermäuse flattern durch den schwarz-blauen Nachthimmel. Kruzifixe hängen an schummrig beleuchteten Häusern. Auch durch die winzigen Fenster der Dorfgaststätte "U Cachtice Panej" scheint noch Licht. Alte Männer hocken auf Holzbänken, kippen Slivovic, plaudern viel und gestikulieren heftig. Aus ihren faltigen Gesichtern quellen glasige Augen. Als der Reisende die knarrende Tür ins Schloss fallen lässt, verstummt das Wortgewitter für wenige Sekunden. Ja, dieses ist der Ort, in dem man um die Tochter des Kneipiers bangt. Und wer nach dem Weg zur Burgruine fragt, erntet befremdliche Blicke.
Erzsébeth Báthory
Allzu gut kennen die Slowaken die schmale Straße, die sich kurvenreich in die Höhen der Weißen Karpaten windet, dorthin, wo Elisabeth Bathory im 16. Jahrhundert ihr Unwesen trieb: Ihre Bediensteten lockten Mädchen aus dem Dorf ins Schloss; zurück kam niemand. Einmal, heißt es, erhob sich die Bathory im Wahn ihrer Wut "wie eine Bulldogge über ein Mädchen und biss es in Schulter und Brust". Natürlich kennen die Einwohner von Cachtice diese Überlieferungen, viele von ihnen meiden das verfallene Anwesen noch Generationen später. "Schauen Sie sich lieber die Kirche und das Museum an", empfiehlt ein Alter mit schlohweißem Haar, "was wollen Sie denn dort oben in den geheimnisvollen Gemäuern?"

Man sagt, dass blaues Blut durch Elisabeths Adern floss. Und dass die zahlreichen Inzestheiraten in ihrer Familie in geistiger Degeneration wie Phlegmata oder unkontrollierten Wutanfällen gipfelten. Ihr Bruder zum Beispiel war ein Satanist; ihre Tante Klara hatte eine notorische Neigung zur lesbischen Zuhälterei und ihre Cousine Anna praktizierte Hexerei und tötete ihr eigenes Kind. Elisabeth Bathory aber war schlimmer. Die gehässige Gräfin machte ihre Familie und die kleine Gemeinde Cachtice weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt: Sie hält einen Platz im Guinness-Buch der Rekorde für die meisten Morde, die jemals eine Frau begangen hat. 611 Menschen fielen ihr zum Opfer. Nicht nur Prinz Vlad V. der Walachei, sondern auch die Machenschaften der Bathory dienten Bram Stoker als Grundlage für seinen Erfolgsroman "Dracula".

Gemälde der Burg Wie Kunstwerke ragen karge Kiefern aus dem Boden. Ellentiefe Furchen hat der Regen in die Lehmwege unterhalb der Burgruine gespült. Von hier aus wirkt sie wie ein dämonisches Disneyland, das die Geister längst verlassen haben. Frühmorgens zieht eine wilde Komposition aus Hundegekläff und den Orgeltönen eines benachbarten Klosters durchs Tal. Früher waren es die schrillen Todesschreie der Dorfmädchen, die Cachtices Einwohner in Atem hielten. Vergilbten Dokumenten zufolge gab es eine Initialzündung für das Gemetzel: eine "Bestie" kämmte Elisabeths Haar und zupfte dabei etwas zu fest. Die Bathory geriet in Rage, kniff und kratzte sie, bis das Blut der jungen Magd über ihre Hand lief. Ihre Haut soll sich wundersam verjüngt haben - Elisabeth war fasziniert von der ewigen Jugend.

Wappen der Báthory Elisabeth Bathory wurde 1560 geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie im ungarischen Nagyeseed. Dort lernte sie Latein, Deutsch und Ungarisch. Schon im zarten Alter von zwölf Jahren kam sie als Verlobte von Frantisek Nadasdys auf das Cachticer Schloss. Da der 18jährige Graf als Soldat nichts als Feldzüge gegen die Türken im Sinn hatte, vertrieb sich Elisabeth ihre Langeweile. Zum Beispiel mit zahlreichen Techtelmechteln. Insbesondere junge Mädchen peitschte, strangulierte und vergiftete sie mit Hilfe ihrer Bediensteten.

Wahrheit oder Fiktion? Auch eine mystische Kreation der Bauern, die die Wahrheit nicht zugeben wollten: Die Gräfin war eine Art Kannibalin. Zeugen aus der Gegend bestätigten das. Auch Elisabeths Tagebücher enthalten entsprechende Aufzeichnungen. Die Opfer beispielsweise charakterisiert sie als "schwach und geradezu enttäuschend". Entsprechend mussten sie büßen. Zu den Folterinstrumenten zählte eine "Eiserne Jungfrau", aus deren Brust ein Messer geschossen kam und die Mädchen nach den Qualen durchstoch. Elisabeth badete mit großer Leidenschaft in Blut.

Zeichnung der Burg "Es war ein widerlicher Adel, der hier oben residierte", sagt Petr Lajtha, "die Menschen mussten für die Bathory schuften und wurden obendrein bestraft". Petr Lajtha ist Priester. Mit seinem langen schwarzen Mantel und der aus riesigen Ohrenklappen bestehenden Kappe wäre er auch als Schlossgespenst keine Fehlbesetzung. Fast jeden Tag läuft der 84jährige Mann den Berg hinauf und liest im Innenhof der weißen Kalksteinruine das Brevier. Die Geschichte Cachtices kennt er wie die Bibel, berichtet von Feldzügen gegen Tataren und Türken, und vom Glauben. Der Glaube, sagt Lajtha, bewahre den Menschen vorm Schicksal. Nur vor der Bathory sei niemand gefeit gewesen.

Jede Auserkorene landete über kurz oder lang dort, wo Lajtha gerade doziert. Im Innenhof rissen Elisabeths Lakaien den Dorfjungfern bei Schnee und Eis die Sachen vom Leib, zogen sie wütend an den Haaren, prügelten sie zu Boden. Andere gossen ihnen kaltes Wasser über den Kopf, während Elisabeth im Sessel thronte und das Happening verfolgte. Pelze schützten sie vor der klirrenden Kälte. Und wenn sich die nackten Töchter aus dem Dorf in panischer Angst vor ihr zusammenkauerten, begann sie ordinär zu lachen. Die vom Satan Besessene mordete in Serie. Niemand traute sich, die Gräfin nach dem Verbleib der jungen Frauen zu fragen. Zunächst nämlich stützten sich die Vorfälle auf bloße Anklagen des "gemeinen" Landvolks. "Die Gräfin war adelig und protestantisch", erzählt Lajtha, "damit war sie gleichzeitig außerhalb der Gerichtsbarkeit der zivilen Autorität und der herrschenden katholischen Kirche". Auch die Mönche, die neben der kurzzeitigen Wiener Residenz der Bathory lebten, unternahmen nichts. Das heißt, nicht viel. Wenn nachts die Schreie der Mädchen durch den Keller hallten, warfen die barmherzigen Brüder Blumentöpfe gegen die Fenster der Bathory.

Dass die Einwohner in Cachtice heute etwas empfindlich reagieren, wenn man sich nach der Bathory erkundigt, hat einen einfachen Grund. Vor einigen Jahren, sagt Lajtha, seien zwei vermeintliche Filmemacher aus Bratislava angereist. Einen großen Zinnober hatten sie veranstaltet, wollten mit der heimischen Bevölkerung ein authentisches Werk über die Bathory drehen. Die Mädels aus Cachtice träumten bereits von Hollywood, von einer großen Karriere als Filmstar, wurden aber bitter enttäuscht. "Die Schurken landeten vor Gericht", sagt Lajtha etwas zynisch und meint damit die Naivität der Dorfjugend.

Spätestens seit diesem Zeitpunkt behandelt der Bürgermeister von Cachtice das Ölgemälde mit dem Konterfei der Bathory wie seinen persönlichen Schatz: Es hängt nicht mehr im Museum, sondern steht eingeschnürt im Dorfamt. Für Besucher packt er es jedoch gerne aus, und er lässt sich mit der Bathory zusammen gerne fotografieren. Streng sieht sie aus, mit hochgesteckten Haaren und bissigem Blick.

Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1604 erreichten die Machenschaften der Bathory ihren Höhepunkt, die Gräfin suchte sich nur noch junge Damen aristokratischer Herkunft - und konnte die zahlreichen Anfragen der Familien schließlich nicht mehr abweisen. Juraj Thurzo und Mitglieder der eigenen Familie beendeten das Desaster, kerkerten Elisabeth ein. Um das Ansehen der Familie zu retten, lenkten sie den Verdacht auf die vier Bediensteten. Das Gericht in Gytca urteilt sofort. Ein Henker riss ihnen mit einer Zange die Finger ab und warf die noch lebenden Leiber in ein Feuer. "Der Prozess", sagt Lajtha, "wurde Aufzeichnungen zufolge später nochmals aufgerollt". König Matus II. habe dem Blitz-Urteil misstraut. Als im neuen Verfahren 224 Personen aus der Umgebung verhört wurden, kam eine Lawine ins Rollen. Zahlreichen Personen hatten die Gräueltaten mit inszeniert: Eine Frau zum Beispiel war nur für das Mischen der Gift-Cocktails zuständig.

Elisabeth Bathory blieb bis zu ihrem Tod im August 1614 auf der Burg interniert. Ihr letztes Happening war in einer kalten, schneereichen Dezembernacht des Jahres 1610 beendet worden. Juraj Thurzo stürmte mit einer Truppe Soldaten die Cachticer Burg. Sie ertappten die Báthory in einem finsteren Gewölbe, blutüberströmt. In dem schummerig beleuchteten Innenhof stand eine Traube junger Mädchen - zu Eisskulpturen gefroren.


Tomas Niederberghaus, Der Tagesspiegel vom 7. August 1999

Wer mehr über sie erfahren will, unter diesem Link habe ich angefangen, die Geschichte der Blutgräfin zu schreiben.


Die ersten beiden Bilder sind bei unserem ersten Versuch, Cachtice zu besichtigen, aufgenommen. Der Schnee ließ es nicht zu, dass wir auf den Berg kamen (trotz Winterreifen). Nachdem wir jetzt im Sommer dort waren, haben wir feststellen müssen, dass es im Winter auch viel zu gefährlich gewesen wäre, in der Ruine herumzuklettern.

Die Ruine Cachtice im Winter
Cachtice im Winter
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Cachtice im Winter
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Die Ruine
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Der Eingang
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Blick ins Tal
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Der Todesturm
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Die Ruine
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Die Ruine
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Die Ruine
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Die Ruine
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Blick ins Tal
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Die Ruine
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Die Ruine
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Die Ruine
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Die Ruine
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Die Ruine
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Blick ins Tal
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Der Todesturm
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Die Ruine
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Die Ruine
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Die Ruine




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