Schlüssel ins Schloss, aufgeschlossen und es trifft mich fast der Kälteschock. Nach den rd. 50 m vom Parkplatz durch die schwüle Nachthitze von Jeddah kommen mir die 18 Grad im Haus wie Sibirien vor. Licht eingeschaltet und, was ist das, wie sieht das hier aus? Egal, schnell durch die "Villa", so nennt man hier ein Reihenhaus, gewetzt, das Schlafzimmer gesucht, ausgezogen und ungewaschen ins Bett, vorher aber noch den Wecker auf 6:30 gestellt. Noch 4 1/2 Stunden bis zum Aufstehen und ich bin hundemüde.
BEEEEEEEP, BEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEP, was ist das für ein Geräusch? Wo bin ich denn hier? Warum ist das so kalt? Langsam dämmert es mir, Saudi Arabien, Jeddah. Mühsam und immer noch müde und zerschlagen von der Reise quäle ich mich aus dem Bett, nehme mein Waschzeug aus dem Koffer und wanke Richtung Bad. Iiiiih, grün am Wasserhahn, grün am Duschkopf, was soll das hier? Egal, die Kollegen kommen gleich und ich muss mich fertig machen. Zähne geputzt, das Wasser schmeckt ja ekelig, rasiert und ab unter die Dusche. Warum wird das Wasser nicht kälter wenn ich den Kaltwasserhahn aufdrehe? Ich drehe den Warmwasserhahn zu und dusche nur mit dem "kalten" Wasser. Das ist angenehm. Dem werde ich wohl später auf den Grund gehen.
Schnell ins Schlafzimmer zurück, angezogen (komplett mit Krawatte), runter in die Küche und nachschauen, was ich bei der Ankunft so kurz gesehen habe. Da hat doch irgend eine gute Seele, später erfahre ich, dass es "Mr. Boy" der Phillipino, der hier den Compund-Manager macht, war. Pulverkaffee, Toastbrot, im Kühlschrank (amerikanisches Riesenmodell) Milch, Marmelade und Margarine. Na Klasse.
Kaum ist das Frühstück in mir, da klingelt es auch schon an der Tür. Holger holt mich ab und ich kann erst jetzt die wahren Ausmaße des Compounds erahnen. Bis zum Mainbuilding ist es fast 1 Kilometer. Straßen mit Palmen an den Seiten, durch "waldartige" Gebiete und dazwischen verstreut einzelne Gebäude. Auf dem Foto nebenan kann man etwas von den Ausmaßen erahnen, der Compound geht bis zu den am Horizont zu erkennenden weißen Gebäuden, aufgenommen vom Mainbuilding aus, also so ziemlich in der Mitte des Compounds.
Auf dem Bild links ist der Ausblick in die entgegengesetzte Richtung zu sehen. Bei Nacht war das nicht zu erkennen.
Also den Wagen unter einem Überdach abgestellt, die Sonne brennt schon erbarmungslos, und schnell rein ins Gebäude, wo die Aircondition läuft. Ganz schön aufwändig gebaut das Ganze. Allein die Marmortreppen, Marmor im Eingang und reichlich Glas.
Also an der Security vorbei und mit dem Aufzug in den 5. Stock. Hier lerne ich nun auch die anderen Kollegen kennen. Eine bunt gemischte Truppe, Deutsche, Australier, Kanadier. Danach geht es weiter zu dem zuständigen Saudi-Manager. Er muss das OK geben, damit ich anfangen kann. Sagt er nein, dann kann ich sofort wieder in Richtung Deutschland zurückfliegen. Glück gehabt, nach 10 Minuten Gespräch bin ich akzeptiert und kann mit meiner Arbeit anfangen. Arbeit ist gut, ich muss erst mal die Organisation von Saudi Telecom kennen lernen und soll dann in ca. 2 Wochen den Posten als Berater beim District Manager in Taif übernehmen. Da muss man bis dahin den "Laden" kennen gelernt haben und auch einen guten Kontakt zu den Kollegen aufgebaut haben.
Aber bevor ich damit anfangen kann kommen erst mal die Formalien. Ich muss runter zur Security und eine ID-Card bekommen. Runter ist gut, da muss ich mit einem Saudi, der genau so viel Englisch spricht wie ich Arabisch, aus dem Gebäude raus, zu einem Pick-up, mit dem wahrscheinlich schon der Großvater von Mohammed in die Wüste gefahren ist, zum Security-Building fahren. Klar, dass bei dem Auto die Klimaanlage nicht funktioniert und das alles über die geöffneten Fenster geregelt wird. Geregelt ist gut, der Unterschied ist nur, dass man sich wie unter einem Föhn fühlt, heißer Luftstrom statt heißer stehender Luft. Irgendwie schafft es der Wagen uns heile ans Ziel zu bringen. Die weitere Prozedur geht in gewohnter Weise mit Handzeichen-Verständigung weiter. Zumindest muss ich keines meiner mitgebrachten Passbilder "opfern". Die Frage nach der Blutgruppe kann ich irgendwie verstehen. Na die kenn ich zum Glück und muss mich nicht auch noch einer Blutentnahme unterziehen.
Mittels modernster Technik wird die ID-Card erstellt, Foto direkt auf den Kartenvordruck. So, jetzt bin ich ein richtiger "Mitarbeiter" von Saudi Telecom. Mit der neuen ID-Card geht es zurück zum Hauptgebäude. Im 5. Stock angekommen stellt sich mir die Frage, wohin jetzt, links rum, rechts rum? Ich entscheide mich für links und, Glück gehabt, da ist auch schon das Büro des gleichnamigen Kollegen. Erste Überblicke und dann weiter, die restlichen Kollegen hier in Jeddah kennen lernen.
Was ist das für ein Lärm? Günther klärt mich auf, Mittagsprayer. Na klar, hatte ich ja gelesen, 5 mal am Tag ruht die Arbeit und das Leben weil alle zum Gebet eilen. Aber vorher noch zur Toilette, wo es reichlich Waschgelegenheiten gibt, um die vorgeschriebenen Waschungen vorzunehmen. Gut das wir da nicht mitmachen müssen. Später hat man sich an das Leben im Prayer-Rhytmus gewöhnt. Da ist man so schlau, vor dem Prayer auf die Toilette zu gehen, wenn sich alle gewaschen haben braucht man Gummistiefel, alles ist nass.
Von Bob, einem kanadischen Kollegen bekomme ich einen Rat, der wirklich Gold wert ist: "In den Schreibtisch eines Mustaschar (so nennt man einen Berater in arabisch) gehört unbedingt eine Rolle Toilettenpapier und eine Rolle Küchenpapier. Das eine für hinterlistige Zwecke, die Abreißrolle als Handtuchersatz." Warum Toilettenpapier erkenne ich, als ich das erste mal die Keramik aufsuchen muss. Papier gibt´s keins. Als Ersatz hängt auf jeder Toilette eine Handdusche. Das mag ja für Leute mit "weißem Nachthemd" ausreichen, für den mit Hose bekleideten Mitteleuropäer ist diese Art der Reinigung dann doch nicht so angebracht.
Und noch etwas lerne ich kennen. Neben den Saudis in ihren weißen Gewändern sind überall dunkelhäutige Männer in Arbeitsanzügen anzutreffen. Cleaner und Teaboys. Fast ausschließlich Bangladeschis. "Tschai, min fadlak" (Tee bitte) und schon wird man damit versorgt. Schwarzer Tee, heiß mit viel Zucker in kleinen Teegläsern serviert. Das ist etwas, was ich mir bis heute erhalten habe, im Sommer, wenn es richtig heiß ist, schwarzer Tee.
Ab 14:00 Uhr wird es ruhiger im Gebäude. Rasch werde ich aufgeklärt, die Manager kommen selten vor 10:00 und verschwinden spätestens um 14:00 Uhr und der Rest der Mannschaft tut es ihnen gleich. Ist ja auch schon hart, so 4 Stunden am Stück im Büro zu sein. Da sind unsere Arbeitszeiten von 7:30 bis 16:00 Uhr schon etwas anderes. Aber irgendwann ist es auch für uns Feierabend und es geht zurück zum Compound. Ich kann mich endlich einmal bei Tageslicht umsehen. 16 "Villen" in 4 Reihenhaus-Blöcken, das Office des Compoundmanagers Boy, den ich auch kennen lerne und der Poolbereich. 50 Meter Becken. Ganz schön pompös.
Auf zu Boy und die ersten Formalitäten erledigen. Unterlagen für den (oder das oder die) Iquama (sprich: Igama), den Ausweis für Saudi Arabien, auszufüllen. Kopien von Führerschein und allen möglichen Unterlagen zur Übersetzung geben.
Ohne dieses braune Papier (Moslems haben das in grün) ist man in KSA (Kingdom of Saudi Arabia) ein Nichts. Hier lerne ich auch das erste Mal die Bedeutung der Satzes: "Wenn Du nach Saudi Arabien zum Arbeiten fährst brauchst Du für den Anfang erst mal 20 - 30 Passfotos". Ich möchte nur mal wissen, was die mit den vielen Fotos machen. Na ja, später habe ich dann noch einmal Passfotos machen lassen und das Negativ an die Company geschickt, da konnten dann die erforderlichen Abzüge direkt erstellt werden ohne Reimburstment. Aber was soll ich lange erzählen, auch die Formalitäten habe ich irgendwie erledigt.
Nun aber ab in die "Villa" und meinen Koffer ausgepackt. Kaum ist das erledigt, da klingelt es auch schon. Holger holt mich zum Einkaufen ab.
Jetzt bei Licht kann ich die Ausmaße von Jeddah erst richtig einschätzen. mal eben zum Einkaufen fahren heißt von Al Salamah aus rund 15 Kilometer bis zum Jamjoom, einem riesigen Shopping-Center im amerikanischen Stil, angeblich das zweitgrößte Gebäude in Asien. Wahrscheinlich bekomme ich den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zu. So was hab ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, diese Ausmaße, diese Anzahl von Geschäften und das alles unter einem Dach. Also rein in den Supermarkt, geöffnet 24 hours a day, 365 days, except during Prayer Times. Da, wieder der Ruf des Muezzin, Prayerfalle. Keine Sorge meint Holger, alles halb so schlimm, hier drinnen ist Selbstbedienung, nur zahlen können wir erst nach dem Prayer. Wirklich, der Laden wird verschlossen, wer drin ist hat Glück, kann einkaufen, wer zu spät kommt, den bestraft ...
Die Auswahl ist riesig, so was hat meines Vaters Sohn noch nicht gesehen. Also erst mal etwas Brot, die einzige Sorte die es gibt ist Toastbrot, Butter, Wurst, Küchenrollen und Toilettenpapier (aha, an alles gedacht) und ein paar Lebensnotwendige Dinge eingekauft. Da ist das Gebet auch schon zu beendet und mit einem Schlag füllt sich der Laden. Wir stehen schon an der Kasse, können sofort bezahlen (ein paar Rial hatte die Sparkasse Bonn) und weiter. Ich muss unbedingt eine Kamera kaufen. Die Spiegelreflex ist in Deutschland geblieben, die konnte ich beim besten Willen nicht mehr unterbringen. Na ja, bei der nächsten Heimreise. Ab in einen der Fotoläden und die Auswahl gecheckt. Ich hab mich für eine Nikon Kleinbild mit 2 1/2fach Zoom entschieden. Jetzt bekomme ich von Holger die erste Lektion im Handeln. Handeln ist hier so was wie Volkssport. Selbst bei Kartoffeln für 10 Rial, ca. 2,5 Euro, wird gehandelt. Bei 2 -3 Händlern den Bestpreis erhandeln und dann bei einem 4. mit dem Ergebnis in den Handel einsteigen. So komme ich auch hier noch günstiger zu der Kamera, als es eigentlich schon ist. Einen Film bekomme ich auch sofort dazu. Ich handele noch einen zweiten Film heraus, was bei dem Verkäufer auf Unverständnis stößt, später erkenne ich auch warum.
Mit den Einkäufen schnell durch die schwüle Hitze zum Auto und durch den Verkehr zurück zum Compound. AC (Aircondition) im Auto ist etwas Wunderbares. Unterwegs staune ich nur noch über die Autos. Viele sind mir unbekannt, noch nie gesehen. Ich schätze, dass mindestens die Hälfte Toyotas sind, fast ausschließlich Cressidas, der Rest amerikanische Straßenkreuzer, Pick-ups und natürlich Geländewagen in jeder nur erdenklichen Form. Der Fahrstil ist mörderisch, angeblich gibt es Regeln; entweder das stimmt nicht oder niemand hält sich daran.
Im Compound treffe ich Klaus, einen Kollegen aus dem Customer-Bereich. "Komm doch nachher einfach mal rüber", klar, wird gemacht, man ist ja hier aufeinander angewiesen.
Also, alles schnell im Haus untergebracht, kurz erfrischt und ab zum Nachbarn.
Klaus ist hier mit seiner Frau und seinen Kindern hier. Schon beim Eintreten erkenne ich den Unterschied zwischen den Villen der Kollegen, die ständig hier wohnen und der Besucher-Villa. Hier lässt es sich leben. "Setz dich. Willst Du etwas trinken? Rotwein, Martini?" Ich schaue ziemlich verdutzt, ich denke hier ist das Mutterland des Islam, sozusagen "Alkoholfreie Zone".
Ohne groß zu überlegen entscheide ich mich für einen Martini (nur so, nicht geschüttelt und nicht gerührt). Lecker. Auf mein fragendes Gesicht erklärt mir Klaus, dass der selbstgemacht ist. Ich kann es kaum glauben, das Zeug sieht aus wie Martini, schmeckt wie Martini, das kann doch nicht selbstgemacht sein. Ist es aber! Hier ist das Rezept:
Saudi Martini
Man nehme:
2 Kilo Rosinen (die hellen)
2 Kilo Zucker
6 Apfelsinen
6 Zitronen
6 Bananen
2 Äpfel
19 Liter Wasser (Wasserspender-Bottle)
1 Päckchen Backhefe
und unbedingtes Zubehör ist eine Bibo-Tonne (runder Curver mit Deckel)
Die Rosinen und der Zucker werden in den Curver gegeben. Die restlichen Früchte in Scheiben schneiden und dazu geben. Mit dem Wasser auffüllen und die in einer Tasse warmem Wasser aufgelöste Hefe (Yeast) unterrühren. Deckel drauf und eine Woche lang jeden Tag einmal umrühren. nach einer Woche die Früchte (oder das was davon übrig ist) abschöpfen und den Rest durch ein Handtuch (Geschirrtusch) filtern und in die Wasserflasche zurückgießen. Die Flasche mit einem Gärverschluss verschließen. Gärverschluss? Klar, selbstgemacht. In den Deckel der Wasserflasche ein kleines Loch machen, ca. 70 cm Luftschlauch (Aquarienzubehör aber auch im Souk überall erhältlich (warum wohl?))eingeklebt und in eine mit Wasser gefüllte Flasche gesteckt, blubbert wunderbar! Nach 2 - 3 Wochen hat sich die Hefe unten abgesetzt und der fertige Martini wird mittels eines Schlauches abgezogen, in Flaschen gefüllt und Prost.
Auch auf die Gefahr hin, dass dies hier fast ein Buch wird, die Seite wird laufend ergänzt und fortgeschrieben. Der nächste Teil folgt bald.
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